Die demokratische Zivilisation ist heute so sehr bedroht, wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine Allianz aus autoritären Regimen und Diktaturen, zuvorderst Russland und China, fordert die Freiheit und die regelbasierte Ordnung heraus. Es ist unsere Ordnung, in der wir leben, in den Urlaub fahren, unsere Kinder erziehen, ein Bier trinken an einem Sommerabend.
Russland begeht spätestens seit Februar 2022 einen Zivilisationsbruch nach dem anderen. Und ist dabei erstaunlich erfolgreich. Nicht so sehr auf dem Schlachtfeld, aber darin sich in Teilen unserer Gesellschaft als das bessere und fortschrittlichere System zu verkaufen – was bei einem System, dass sich an den stalinistischen 1950ern orientiert, nur absurd ist.
Dabei bedroht uns in Deutschland das russische Vorgehen ganz konkret über die Ukraine hinaus: Durch Desinformationskampagnen, die der russische Staat steuert. Genau so gilt das für China. In Deutschland treffen diese Kampagnen auf Kollaborateure von ganz rechts und ganz links. Ihnen allen geht es nicht um die Etablierung ihrer Wahrheit, auch wenn das den Anschein hat: Es geht ihnen darum Zweifel zu sähen. An unserer Wahrheit. An unserem Leben. An unserer Verwurzelung in unserer Gesellschaft. Die Trennlinie zwischen Fiktion und Realität, zwischen Lüge und Wahrheit, soll verwischen, bis niemand mehr irgendetwas glaubt. So soll das Vertrauen in das demokratische System zerstört werden. Und das klappt leider besser, als uns das lieb sein kann.
Der offene Angriff auf die Demokratie, den Russland in der Ukraine führt, ist daher für uns im Westen (noch) nicht das Gefährlichste. Das ist die Gleichgültigkeit. Die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Menschen in unseren westlichen Gesellschaften die Errungenschaften hinnehmen, die hart erkämpft wurden. Es ist der Moment, in dem Demokratie nur noch als Dienstleistung gilt und nicht mehr, als ein System in dem man mitmachen kann und mitmachen muss. Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem die Demokratie gegen ihre inneren und äußeren Feinde verteidigt werden muss.
Dieser Blog will seinen Teil dazu beitragen.
Ich tue das, weil es an der Zeit ist. Weil ich berufsbedingt mit Menschen reden kann, mit denen die meisten nicht reden können und weil ich denke, dass es notwendig ist. Wenn es gelingt, ein paar Menschen davon zu überzeugen, dass Demokratie etwas ist, das zwar Arbeit macht, aber wofür es sich einzustehen lohnt, dann ist schon viel gewonnen.
An dieser Stelle möchte ich den großen Richard Herzinger zitieren: „Mittlerweile bedroht der russische Vernichtungskrieg gegen die Ukraine ... die Zukunft der westlichen Demokratien ... insgesamt. Nur wenn der Westen begreift, dass das putinistische Russland diesen Krieg als erste Schlacht des von ihm anvisierten großen Kriegs gegen die transatlantische Allianz betrachtet, kann er adäquat reagieren.“
Wir müssen reagieren aus eigenem Überlebenswillen. Die Demokratie muss stärker werden. Die Freiheit muss besser bewaffnet sein als die Unfreiheit. Durch Argumente, aber eben auch ganz wörtlich durch Waffen. Die liberalen Demokratien des Westens werden nur überleben, wenn sie endlich anfangen sich zu wehren. Bedeutet das, dass ich in den Krieg ziehen will? Nein, das bedeutet es nicht. Aber es ist egal, was wir wollen. Der Krieg wird uns aufgezwungen. Der Informationskrieg läuft bereits.
Daher ist dieser Kampf ein Kampf um alles, was uns wichtig ist. Der Krieg in der Ukraine ist unser Krieg. Wir müssen ihn gewinnen.
Philipp Kohlhoefer, im März 2024